BRAWO-Online, 19.11.2013
Artikel von Patrik Rachner
Falkensee (MZV) Gleich mehrere Anzeigen liegen vor, der Anfangsverdacht ist gegeben: Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat im Fall des Baus der Semmelhaack-Seniorenwohnungen im Hinblick auf die mutmaßlich nicht rechtzeitig umgesiedelten Zauneidechsen, sie sind nach der europäischen FFH-Artenschutzrichtlinie und nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet – zunächst gegen Unbekannt. Das bestätigte Christoph Lange, Sprecher der Staatsanwaltschaft, auf Anfrage. Ins Blickfeld geraten sind mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Bauordnungsamt gleich zwei Verwaltungsbereiche des Landkreises – zumindest mittelbar. Sie sollen vorläufig Amtshilfe leisten.
Es wird weiterhin gebaut: Wegen der Vorkommnisse rund um die streng geschützte Zauneidechse ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Potsdam
Die Staatsanwaltschaft Potsdam will es nun genau wissen. Auf die Frage, ob „Versagen“ beim Artenschutz vorgeworfen werden kann, sollen im Zuge der laufenden Ermittlungen nun Antworten gefunden werden. „Die Zauneidechsen stehen auf der roten Liste. Es kann also tatsächlich eine Straftat vorliegen, insofern sind unsere Ermittlungen durchaus gerechtfertigt. Hinweggehen können wir darüber jedenfalls nicht“, betonte Lange.
Den Stein ins Rollen gebracht hatte die Naturschützerin Janine Mohaupt, weitere Umweltaktivisten folgten ihrem Beispiel, indem sie einen Baustopp zugunsten der Zauneidechse verlangten und wie berichtet Anzeige erstatteten, etwa gegen die Untere Naturschutzbehörde. Die von den Kreisämtern bereits vor mehr als vier Wochen angeforderten Unterlagen, die Licht ins Dunkel bringen könnten, sind laut Angaben von Lange bisher allerdings noch nicht bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. Warum, weiß er nicht. „Wir wollen sehen, welche Verantwortlichen, wie gehandelt und entschieden haben, sprich, welche Weisungen es gegeben hat“, meinte er weiter. Drei bis vier Verfahren laufen derzeit noch parallel. Es könne durchaus sein, dass sie zusammengefasst werden.
Die Naturschützer bleiben derweil am Ball. So hat Janine Mohaupt bereits das Bundesumweltministerium eingeschaltet. Dort soll im Übrigen am 27. Januar eine bereits angemeldete Protestkundgebung aus Anlass des Falkenseer Falls stattfinden. Auch die zuständige EU-Umweltkommission, mit einem Vertreter selbiger hat sie bereits telefoniert, kennt die Vorgänge in der Gartenstadt schon. Dennoch ist Mohaupt enttäuscht.
Nachdem sie Ende der vergangenen Woche die Untere Naturschutzbehörde eigenen Aussagen zufolge darüber informiert hatte, juristisch eine einstweilige Verfügung für einen Baustopp zu erwirken, das hatte sie auch dem Semmelhaack-Gutachter mitgeteilt, ist am Montag das zweite Baufeld ausgehoben worden. Dort sollen gemäß ihrer Angaben weitere Zauneidechsen, womöglich auch die ebenfalls streng geschützten Waldeidechsen und Knoblauchkröten, leben. „Ich bin nicht davon ausgegangen, dass sie so dreist sind und nunmehr das ganze Schreckensszenario erneut beschleunigt haben. So deprimiert wie ich bin, beruhigt es mich, dass die Staatsanwaltschaft unabhängig agiert und Untersuchungen eingeleitet hat“, tröstet sie sich.