Planungskonzept Ausbau Spandauer Straße 2.0

Aus der Brawo (MOZ.de)

Der zweite Bauabschnitt der Spandauer Straße in Falkensee bis zur Berliner Stadtgrenze wurde in den letzten Monaten kontrovers diskutiert. Geplant sind für jede Fahrrichtung eine Fahrbahn für den Fahrzeugverkehr von 3 Metern Breite und 2,5 Meter breite Fahrradstreifen. Also keine vierspurige Straße, wie früher angedacht war. Engpässe, wie der Übergang nach Berlin an der Stadtrandstraße, bleiben bestehen. Abbiegespuren werden für den motorisierten Verkehr Entlastung bringen. Busbuchten sind ebenfalls geplant. Dennoch wird sich der Verkehrsfluss von Falkensee nach Berlin nicht signifikant verbessern, da sind sich Prof. Wolf Heinz vom beauftragten Planungsbüro Heinz+Staadt und Frank Schmidt, Dezernatsleiter im Landebetrieb Straßenwesen, sicher.

Das die Straße eine Grunderneuerung braucht, daran hat Schmidt ebenfalls keinen Zweifel. Die alte Asphaltdecke habe inzwischen einen hohen Reparaturbedarf, sagt Schmidt. Die ersten Pläne für die Baumaßnahme riefen bei vielen Falkenseern Bestürzung hervor. Von den 100 Linden würden nur 13 stehen bleiben, Nachpflanzungen waren geplant. „Das kam für uns einer Totalfällung gleich“, sagt Juliane Kühnemund von der Baumschutzgruppe Finkenkrug.

Mit der Meinung, dass dieser Eingang in die Stadt und damit ins Havelland von eben diesen Alleebäumen geprägt ist, stehen die Baumschützer nicht allein. Mit dem Bürgerbündnis „100 Linden“ formierte sich Widerstand gegen die Pläne. Das Bürgerbündnis fertigte eine Alternativplanung zu den Baumaßnahmen an. Aus dieser fertigte der Landesbetrieb eine eigene Alternativplanung an, die die Grundidee der BI aufgriff, aber nicht komplett dieser entsprach. Beide Entwürfe des Landesbetriebs wurden am Dienstag in der Stadthalle vorgestellt und diskutiert.

Eine Straße, viele Interessen und Bedürfnisse

Bevor es in die Vorstellung der Pläne und Diskussionen ging, bat der Moderator des Abends und Stadtverordnete Hans-Peter Pohl (CDU) die Vertreter einzelner Interessenverbände um ein Statement zu der Frage: „Was sind Ihre Erwartungen an den Straßenbau?“ Für den Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) sprach Uwe Kaufmann. Er äußert sich positiv zu den 2,5 Meter breiten Radfahrstreifen, denn der Radverkehr nehme nicht nur zu, er werde auch schneller und vielfältiger, Stichwort E-Bikes und Lastenanhänger. „Mit dem Ausbau der Spandauer Straße haben wir die große Chance, einen Radschnellweg nach Berlin zu bekommen.“ Für ihn geht der Erhalt der Bäume vor dem Komfort der Radfahrer. Bei Fragen der Sicherheit möchte er aber keine Kompromisse machen.

Für Juliane Kühnemund sind die Bäume nicht nur optisch wichtig, um den Allee-Charakter zu erhalten, sondern sie führt auch praktische Argumente ins Feld. Gerade in heißen Sommern können die Bäume ihre Umgebungstemperatur deutlich runter kühlen. Nachpflanzungen sieht sie skeptisch und verweist auf Orte in der Stadt, wo solche bereits erfolgt sind. „Die sehen manchmal sehr jämmerlich aus.“

Marc-Oliver Wille von der Bürgerinitiative Schönes Falkensee (BISF) sieht die Baumfällungen nicht mit den Ambitionen der Stadt vereinbar. „Falkensee will doch sein Stadt-Grün erhalten“, sagt er. Bei Fragen der Verkehrssicherheit will auch Wille keine Abstriche machen. Anders als Kühnemund bewertet er Nachpflanzungen als sinnvoll, weißt aber gleichzeitig auf den Schutzstatus von Alleen hin.

Klaus-Dieter Giede betreibt seit 1957 einen von noch zwei Handwerksbackbetrieben in Falkensee und spricht hier für die Interessengemeinschaft Falkensee. Mit dem Ausbau werde in Sachen Verkehrsfluss nicht viel erreicht. Er fürchtet als direkter Anlieger Geschäftseinbußen.

Kristina Scheibe leitet die Geschwister-Scholl-Grundschule und ist besorgt um die Sicherheit ihrer aktuell 478 Kinder, deren Schulweg von den Baumaßnahmen betroffen wäre.

Die Alternativplanung erscheint nicht als Alternative

Die über einhundert Besucher der Veranstaltung hatten die Möglichkeit, sich Erstentwurf und Alternativplanung im Foyer der Stadthalle anzusehen. In der Präsentation ging es dann überwiegend um die Alternativplanung, bei der 73 Bäume erhalten werden würden. Die Alternativplanung hielt in vielen Punkten den Argumenten von Schmidt und Planer Heinz nicht stand. Sie hat mit Platzproblemen zu kämpfen, was bis zur Enteignung von einigen Anwohnern führen würde und die ständen nicht zur Debatte, das machte Schmidt mehrfach deutlich. Es bleiben mehr Bäume stehen, das ist der große Pluspunkt. Die würden aber unter den Baumaßnahmen ohnehin leiden, sagt Schmidt und bezweifelt, dass alle noch verbliebenen Bäume die Bauarbeiten schadlos überstehen würden.

Im Moment stehen noch 91 Bäume, nicht alle werden zu retten sein, manche werden aus Sicherheitsgründen fallen. Was in der Diskussion zu kurz kommt, sind Ideen oder Anregungen, die aus der Alternativplanung in die Entwurfsplanung übergehen könnten.

So unterschiedlich die Lebensrealität, so unterschiedlich die Meinungen der Falkenseer zum Bauprojekt. Es wird zu viel für die Radfahrer geplant und zu wenig für den Autoverkehr, sagen die einen. Radfahrer müssten mehr Raum bekommen, die Anderen – die vielen Ampeln sorgten für Stau, die Fußgänger bräuchten die Möglichkeit der sicheren Querung, Bäume erhalten versus Neupflanzungen.

Eine Anwohnerin klagt, dass sie gar nicht befragt wurden. Sie ist für die Bäume, man brauche hier dringend frische Luft. Sie klagt über den zunehmenden LKW-Verkehr. Und werden die Anwohner an den Kosten für die Baumaßnahmen beteiligt? Neben Bürgermeister Heiko Müller (SPD) ist auch Baudezernent Thomas Zylla zugegen. „Nach Ausbaurecht beitragspflichtig“, sagt er. Informationsveranstaltungen für die Anlieger werden folgen. Die Kosten sind auch in den Entwürfen ein Thema. Die Alternativvariante wäre, so Schmidt und Heinz, deutlich teurer, was mit Bauarbeiten zur Rohr- und Leitungsverlegung erklärt wird. Die wären in diesem Umfang bei der Entwurfsvariante nicht nötig.

Als Baubeginn peilt Schmidt den März 2020 an, für die Bauzeit rechnet er mit zwei Jahren.

„Ich bin enttäuscht“, sagt Juliane Kühnemund am Ende der Veranstaltung. „Neupflanzungen werden den Allee-Charakter nicht zurückbringen.“ Immerhin, Kühnemund hatte für ihr Anliegen, möglichst wenige Bäume für den Ausbau zu fällen, Unterschriftenlisten ausliegen. 25 Unterschriften hat sie an diesem Abend gesammelt.