Es geht um mehr als 100 Linden

Brawo / MOZ.de, 24.08.2018
Am Montag trafen sich Mitglieder der Baumschutzgruppe Finkenkrug und Vertreter anderer Initiativen, denen der Erhalt der Bäume, der Grünflächen, der grünen Lungen, gerade im städtischen Bereich, ein Anliegen ist.

„Die sogenannten Ersatzpflanzungen finden nicht im Stadtgebiet Wustermark, sondern irgendwo draußen, zum Beispiel in Ketzin, statt“, sagt Tobias Bank (Die Linke). Bank hat mit dreizehn Mitstreitern einen Umweltrat für Wustermark ins Leben gerufen. In Falkensee ist er zu Gast, um die Arbeit der Initiative vorzustellen und Gemeinsamkeiten zu finden, ein Netzwerk zu bilden. Stärke in der Gemeinsamkeit finden, Synergien nutzen, Erfahrungsaustausch. Nicht nur Bank ist zu Gast, auch Vertreter der Bürgerinitiative Schönes Falkensee e.V. (BISF) und des Vereins zur Erhaltung und Förderung des Charakters von Schönwalde/ Havelland e.V. Gleiche Interessen in unterschiedlichen, benachbarten Gemeinden bündeln.

Ein Umweltrat für Wustermark

Bank stellt die Wustermarker Initiative als einen lockeren Zusammenschluss vieler engagierter Akteure vor. Die Schwerpunkte liegen im Baumschutz, Ausbau des Fahrradwegenetzes und Wasser, denn dieses kann spürbar zum Problem werden, wenn die Bodenverdichtung kein Abfließen mehr zulässt. In der Initiative finden sich laut Bank Experten für die grünen Belange der Stadt, aber auch aufmerksame Einwohner, die sich nicht nur über Müll beklagen, sondern ihn einfach entsorgen. Überparteilich möchte die Initiative agieren, Anträge an die Fraktionen einreichen. „An möglichst alle“, sagt Bank, nicht nur Die Grünen und Die Linken. „In Sachen Umweltschutz sollte sich keine Partei aus der Verantwortung nehmen.“ Hier war die Initiative bereits sehr aktiv, erzählt er.

Bereits im Gespräch mit den rund zwanzig Anwesenden wird klar, dass die Wustermarker Initiative ein deutlich breiteres als das genannte, Spektrum aufweist. „Wir wollen hier ein Bewusstsein schaffen. Auf den Bürgermeister, die Gemeindevertreter und die Bürger zugehen“, sagt Bank.

100 & 1 Linde

Die Baumschutzgruppe Finkenkrug hatte sich zuletzt mit anderen Akteuren gegen die Fällung der „100 Linden“ in der Spandauer Straße in Falkensee, gestellt. Inzwischen sind es keine 100 Linden mehr, dennoch halten die Akteure am Schutz der noch verbliebenen Bäume fest. „Die haben immerhin die großen Stürme im letzten Jahr hervorragend überlebt“, sagt Gisela Gunkel von der Baumschutzgruppe.

Der Kampf für die Bäume, da sind sich die Falkenseer Baumschützer und Bank einig, läuft nicht ohne Komplikationen. Alle hier Anwesenden kennen das Gefühl, wenn der Wind frisch ins Gesicht fegt und nicht nur Gegenliebe mitbringt. Doch manchmal, da gibt es auch diese Erfolgsmomente. Gisela Gunkel erzählt: „Der Besitzer eines Hauses in der Tegeler Straße hat sich für den Erhalt einer Eiche vor seiner Tür stark gemacht.“ Die Eiche sollte gefällt werden, der Einfahrt zum Grundstück weichen. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung konnte eine andere, aber auch für den Eigentümer kostenintensivere Lösung gefunden werden. Die Einfahrt gibt es inzwischen, baulich etwas anders, aber die Eiche steht. „Dieser Grundstücksbesitzer hat um den Baum regelrecht gekämpft. So etwas muss auch mal gesagt sein“, sagt Gunkel. Es sind nicht nur die inzwischen berühmten 100 Linden und schon gar nicht nur Finkenkrugs Bäume, für die die Gruppe kämpft.

Keine 100 Linden mehr

Auf dem Stadtfest werden sich die Baumschutzgruppe und die BISF einen Stand teilen. Neben Informationsmaterial und Spielen für Kinder wollen sie auch eine Alternative zur Bebauung der Spandauer Straße, mit Linden, vorstellen. Denn neben dem optischen Aspekt werden Bäume im innerstädtischen Raum tatsächlich immer wichtiger. Gerade in heißen Sommern liefern sie aber noch etwas, für alle Verkehrsteilnehmer und Anwohner sehr wertvolles: Abkühlung.

Juliane Kühnemund von der Baumschutzgruppe hat getestet. In der prallen Sonne auf der Spandauer Straße hat sie für fünf Minuten ein Thermometer vor sich hergetragen, Ergebnis 43 Grad Celcius. Fünf Minuten im Schatten: nur noch 38 Grad Celcius, „dazu ein angenehmes Lüftchen“, sagt sie. Das es im Schatten kühler ist, trifft niemanden unerwartet. Kühnemunds Test war eher der Versuch, noch einmal in Zahlen zu fassen, was jeder selber spüren kann.

Die technische Universität München befasst sich in einer Untersuchung mit genau dem Thema, Kühlung durch Stadtbäume. Bisheriges Fazit: Dichte Baumkronen können Hitze entschieden lindern. Nicht jede Baumkrone ist hier gleichermaßen geeignet und auch das Umfeld Wiese oder Pflasterstein beeinflussen den Effekt. Wiese schneidet hier deutlich besser ab, die Linde übrigens auch. Von Pflasterstein umgeben büßt sie allerdings rund 20 Prozent ihrer kühlenden Leistung ein. Im gleichen Münchener Projekt stellte man fest, dass Baumkronen den unter ihnen liegenden Asphalt um bis zu 20 Grad abkühlen.

Eine professionelle Messung der Temperaturunterschiede an der Spandauer Straße würde Kühnemund begrüßen. In Zeiten des Klimawandels könnte der Erhalt der Linden an dieser Stelle eine neue Bedeutung bekommen. Aber auch ganz ohne Zahlen, war der Effekt für sie schon deutlich spürbar.