Havelländer Weg

Die Spaßvögel haben Hunger

Havelländer Weg: Anwohner und Grüne fordern generelles Durchfahrverbot, Tempo 30, Reparatur und Vorfahrtsregelung

STEFAN KUSCHEL

FALKENSEE Appetit auf das am Eingang angepriesene „XXL-Schnitzel mit diversen Beilagen“ hatte niemand. Hungrig waren die rund 30 Anwohner des Havelländer Weges, die am Dienstagabend auf Einladung der Falkenseer Grünen zur Debatte in die Gaststätte „Bei Petra und Artur“ gekommen waren, viel mehr auf Informationen. Nämlich darüber, wie die Zukunft ihrer Straße aussehen könnte.Die gegenwärtige Situation, über die in Falkensee seit langer Zeit gestritten wird, haben viele von ihnen satt. Der nördliche Abschnitt des Havelländer Wegs ist zum Teil von Schlaglöchern übersät. Das Waldstück ist, wie viele Anwohner sagen, gegen ihren Willen geschottert worden – aufwirbelnder Staub macht ihnen zu schaffen. Hinzu kommt, dass vor allem Fäkalienfahrzeuge den Havelländer Weg mit hohem Tempo durchfahren und Lärm, Dreck sowie Schäden verursachen. Die Menschen sind verärgert. Sie sind sauer auf die Polizei, weil die nur halbherzig Raser ins Visier nehme. Und sie sind sauer auf die Stadtverwaltung, weil die die Strecke nach wie vor als Haupterschließungsstraße ausbauen wolle. Die Anwohner indessen sähen es am liebsten, gäbe es gar keinen Durchgangsverkehr mehr. Und vom Kreisverkehr bis zum Waldstück wünschen sie sich einen behutsamen Ausbau als „Sammelstraße“, von der aus der Verkehr in die Querstraßen verteilt werden könnte. Politisch kommt das Verfahren aber nicht voran, seit die Zählgemeinschaft aus CDU, Grünen und ABü 2003 das Vorhaben von SPD und FDP gestoppt hat, die Straße auszubauen. Nun tragen die Grünen das Thema in den Bürgermeister-Wahlkampf. Ein heikles Unterfangen.So musste Ortsverbandssprecher Gerd Gunkel schnell erkennen, wie gereizt die Stimmung ist. Er habe kürzlich bei einer „Exkursion“ im Havelländer Weg beobachtet, dass von einem Jeep, der sehr schnell unterwegs war, „nur eine Staubwolke, aber kein Auto mehr zu sehen war“. Aus dem Publikum brachte ihm das später die Bemerkung ein: „Wir haben das Staub- und Lärmproblem seit zehn Jahren, da kann man nicht einfach sagen, man ist vor vier Wochen mal durchgefahren.“ Man wolle sich nicht mehr verschaukeln lassen, das Maß sei voll. Es müsse dringend etwas passieren, wenigstens ein Durchfahrverbot für Lkw müsse sein. Von einem „linken Ding“ der Stadtverwaltung sprechen Anwohner, weil sie das Waldstück nur deshalb habe schottern lassen, um die Strecke als Ausweichstrecke für die Falkenhagener Straße nutzen zu können, die bis vor kurzem wegen Umbaus gesperrt gewesen sei.

Beschwere man sich über Lärm und Dreck, müsse man sich aus dem Rathaus anhören: „Wenn Ihr nicht gegen den Ausbau gewesen wäret, hättet Ihr diese Probleme jetzt nicht.“ Das sei blanker Hohn. Einige Menschen seien bereits weg gezogen oder wollten verkaufen. In den Häusern seien Risse erkennbar – so gehe es nicht weiter. Eine frustrierte Frau sagte: „Ich habe den Glauben an die Demokratie und die Illusion aufgegeben, dass sich hier was in unserem Sinne ändert.“ So denken viele.

Dietmar Strehl, Bürgermeisterkandidat der Grünen, setzte an dieser Stelle seinen Wahlkampfhebel an. Es sei ein „unsäglicher Umgang der Verwaltung mit den Falkenseern“ zu verzeichnen, die „Falkenseer Verkehrspolitik ist ein Desaster“. Strehl verwies darauf, dass der Havelländer Weg aus Sicht der Planer wichtig sei als Zubringer für den geplanten Nordteil der Ortsumfahrung. Die für die Anwohner ernüchternde Folge: „Wenn die Nordumfahrung kommt, dann können Sie eine Umwidmung oder Herabstufung Ihrer Straße vergessen.“

Versöhnlich endete der Abend dennoch. Gerd Gunkel bündelte Vorschläge der Grünen und Wünsche der Anwohner in einer sechs Punkte umfassenden Liste. Kurzfristige Ziele sind: Tempo 30, auf Schotter Tempo zehn, Rechts-vor-Links-Vorfahrtsregelung, Lkw-Durchfahrverbot, Reparatur der Schlaglöcher. Außerdem soll „mittelfristig“ der Havelländer Weg nördlich des bebauten Gebiets generell für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. Die Zufahrt zum Reiterhof soll dabei aber offen bleiben. Die Passage durch den Wald bis zur Schönwalder Straße soll nur noch Fußgängern, Radfahrern und Reitern möglich sein.

Der grüne Bürgermeisterkandidat und Günter Chodzinski, Stadtverordneter der Grünen-Fraktion und Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, kündigten an, dieses „Konzept“ im Ausschuss und in der Stadtverordnetenversammlung zur Diskussion zu stellen. Eine Anwohnerin regte zudem an, mit „unkonventionellen“ Aktionen wie Fahrradketten oder dem Verlegen von Rollrasen auf die vielfältigen Belange im Havelländer Weg hinzuweisen. „Wir müssen deutlich machen, dass wir kein immer meckernder Haufen sind, sondern Spaßvögel mit kreativen Ideen und eigenem Willen.“ Dies zu einem Fazit zusammen genommen, reichte den meisten Teilnehmern, um den Hunger nach Fortschritt zu stillen. Jedenfalls an diesem Abend.

Märkische Allgemeine Zeitung vom 28.07.07