MAZ 11.8.2008
Zwischen Heuschrecken und Orchideen Natur Der Botanische Verein lud zu einer Wanderung in das Gebiet des umstrittenen Nordteils der Falkenseer Ortsumfahrung
Die Tier- und Pflanzenwelt in der Kuhlake ist vielfältig. Gestern erklärten Experten, was es alles gibt – dort, wo die Nordumfahrung verlaufen soll.
Von Werner Schmidt
FALKENSEE „Rösels Beißschrecke“ lebt in der Kuhlake. Sie beißt nicht, sondern sondert einen dunklen Magensaft ab, der auch auf die menschliche Haut ätzend wirkt. Man merkt das aber erst, wenn Dutzende der filigran wirkenden Heuschrecken ihren Magensaft zurückgelassen haben. „Rösels Beißschrecke“ gehört ebenso zur Kuhlake wie die Flatterbinse „Juncus effusus“. Bernd Machatzi führte am Sonntag knapp zwei Dutzend Interessierte durch das Naturschutzgebiet an der Grenze Falkensees zu Spandau und sprudelte die lateinischen Namen von Tieren und Pflanzen nur so hervor. Was
Bernd Machatzi ist Landesbeauftragter für Naturschutz und Landschaftspflege des Stadtentwicklungssenators in Berlin. Der Botanische Verein Berlin-Brandenburg hatte ihn zu der Exkursion eingeladen, die durch eine von der Europäischen Union geschützte Naturlandschaft führte, welche vom Bau der Nordumfahrung beeinträchtigt werden wird. Das zumindest sagen die Experten voraus.
Gräser dominieren die Landschaft. Brennnessel und Goldraute seien im Vormarsch und verdrängen heimische Arten. Das Landreitgras habe schon zu etwa 80 Prozent das Gebiet erobert. An seinen langen, scharfen Blättern kann man sich mächtig in die Finger schneiden. Birgith Groth war extra aus Wilhelmshorst (Potsdam-Mittelmark) angereist und suchte eifrig nach Heuschrecken: „Ich habe kürzlich einen zweitägigen Kurs zur Heuschreckenbestimmung besucht. Anhand ihrer Vorkommen kann man feststellen, ob ein Biotop noch in Ordnung ist.“ Machatzi entdeckte auch das gelb blühende Jakobskreuzkraut, eine Giftpflanze: „Alle Pferdehalter fürchten sich, wenn sie die Pflanze auf der Weide haben.“ Das Jakobskreuzkraut enthält einen Stoff, der sich in der Leber der Tiere sammelt und ab einer bestimmten Konzentration zum Tode führt. Die gleichfalls gelb blühende Sandstrohblume ist ein Gewächs, das sandige Böden liebt und daher in Brandenburg ideale Bedingungen findet.
Viele seltene Arten, darunter Orchideen und die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten stehende Sumpf-Brenndolde gedeihen noch in der Kuhlake. Die vom Aussterben bedrohte Kreuzotter ist hier ebenso heimisch, wie der seltene Hirschkäfer.
Aber es gibt auch Pflanzen, die Revierförster Thomas Peters lieber heute als morgen wieder los wäre. Die spät blühende Traubenkirsche wirft viel Schatten, in dem nichts nachwachsen kann. Sie verhindert dadurch, dass sich der Wald von selbst verjüngt. Da auch die Tiere die Traubenkirsche meiden, kann sie sich fast ungehindert ausbreiten. Einst wurde der Baum als Ziergehölz aus Nordamerika eingeführt. Inzwischen hat er sich durch seine Dominanz aber ziemlich unbeliebt gemacht – zumindest beim Förster.
Und dann fand Bernd Machatzi zur Freude von Birgith Groth noch eine weitere Heuschrecke: Die blauflügelige Ödlandschrecke. Sie sprang erst auf den roten Pullover eines Teilnehmers, von dort auf die helle Hose eines anderen bis sie irgendwo im hohen Gras untertauchte. Bliebe noch die Frage zu klären, warum „Rösels Beißschrecke“ „Rösels Beißschrecke“ heißt. Sie ist nach dem deutschen Naturforscher August Johann Rösel von Rosenhof (1705 bis 1759) benannt, der mit seinem Werk „Insectenbelustigungen“ der ernsthaften wissenschaftlichen Beobachtung und Darstellung den Weg ebnete.