„Richter lassen sich nicht beeindrucken“

 MAZ vom 02.01.2009

Nordumfahrung Kommunalwissenschaftler Michael Nierhaus über gute Argumente und die Dauer von Gerichtsverfahren

Michael Nierhaus leitete als Professor für Kommunalrecht lange Jahre das Kommunalwissenschaftliche Institut in Potsdam. Über den aktuellen Stand im Planfeststellungsverfahren zur Nordumfahrung sprach mit ihm Oliver Fischer.

MAZ: Herr Nierhaus, die Falkenseer haben sich rege am Verfahren beteiligt und reichlich Einwendungen geschrieben. Dennoch gab es und gibt es immer wieder die Befürchtung, die Nordumfahrung sei nach so vielen Jahren Planung bereits in Sack und Tüten. Haben die Gegner überhaupt noch eine Chance?

Michael Nierhaus: Erstmal prüft die Behörde ja die Einwendungen selbst. Wenn sie dann befindet, es spricht nichts gegen die Straße, können Betroffene klagen. Und Richter lassen sich nicht beeindrucken, egal wie lange die Planung gedauert hat.

Worauf schauen die denn?

Nierhaus: Wenn es zu einer Klage kommt, suchen die Richter nach Planungsfehlern. Da gibt es eine Fachplanungsfehlerlehre, die abgeklappert wird. Man arbeitet unterschiedliche Belange ab und prüft, ob die Einwendungen richtig bewertet wurden. Da ist auch nicht entscheidend, ob 20 000 Leute dagegen sind. Es kommt ganz auf Lärmprognosen, Sachverständigengutachten und Ähnliches an.

Wie häufig treten Fehler in Planungen auf?

Nierhaus: Es hat in der Vergangenheit viele Fachplanungsfehler gegeben. Beim Flughafen Schönefeld zum Beispiel. Da war die Erlaubnis zum Nachtflugbetrieb fehlerhaft. Die Anwohner haben sich in diesem Punkt durchgesetzt. Das zeigt schon, dass Gerichte nicht einfach den Fachplanern folgen. Die lassen sich weder von der einen noch von der anderen Seite beeindrucken.

Welche Argumente haben bei solchen Verfahren am häufigsten Wirkung gezeigt?

Nierhaus: Das ist ein Mixtum Compositum. Lärmschutz steht sicherlich an erster Stelle, dann folgen Naturschutz, aber auch die Kosten. Es gibt ein ganzes Bündel von Gründen, die Planungen zum Kippen bringen können. Ganz gravierend waren in der Vergangenheit auch Entschädigungsfragen – wenn fremdes Eigentum betroffen ist und möglicherweise enteignet werden muss.

Gibt es vergleichbare Straßenprojekte, die aufgrund von Einwendungen nicht gebaut wurden?

Nierhaus: Bestimmt. Mir fallen nur spontan keine ein. In meinem privaten Umfeld haben wir aber mal verhindert, dass die Laster einer Kiesgrube am Wohngebiet vorbeifahren dürfen.

Das klingt nach einer relativ kleinen Straße. Die Nordumfahrung ist ein Projekt, das inzwischen mit 17 bis 18 Millionen Euro veranschlagt wird.

Nierhaus: Das ist natürlich ein gewichtiges Argument für die Straße.

Inwiefern?

Nierhaus: Die öffentliche Verwaltung ist angehalten, wirtschaftlich zu handeln. Wenn man einen öffentlichen Zuschuss ablehnt – und das wäre in diesem Fall so – dann handelt man unwirtschaftlich. Es müsste demnach schon sehr gute Argumente gegen die Straße geben.

Die Einwendungen sind abgegeben, die Landesbehörde prüft. Wenn wir mal davon ausgehen, dass gebaut wird – wie lange dauert es noch?

Nierhaus: Auch das ist schwer zu sagen. Zum einen hängt es davon ab, wie lange die Behörde arbeitet. Da hat man kaum einen Einblick. Und dann ist eben die Frage, ob jemand gegen die Entscheidung des Landes klagt. Gemeinden zum Beispiel, weil sie in ihrer Planungshoheit eingeschränkt werden, oder Anwohner, die selbst betroffen sind. Solche Klagen können zu einem vorläufigen Baustopp führen, und der hält dann womöglich an, bis die Gerichte endgültig entschieden haben.

Und wie lange dauert ein solches Klageverfahren dann?

Nierhaus: Wenn es bis zur letzten Instanz geht, kann man bis zu sieben Jahren rechnen