Pro und contra Umgehungsstraße Bürgerinitiative fordert Betroffene auf, ihr Veto geltend zu machen

MAZ vom 26.9.2007

FALKENSEE Die Wogen schlugen hoch im Hotel „Kronprinz“: „Die müssen doch spinnen“ und „Die haben einen Knall“, klang es am Montagabend durch den mit rund 120 Neugierigen überfüllten Raum. Zu Beginn der Veranstaltung der Bürgerinitiative „Schönes Falkensee“ (BIFS) zur Nordumfahrung mussten sogar die Tische rausgeräumt werden, um Platz für mehr Stühle zu schaffen. Die Empörung entzündete sich unter anderem an dem Plan, für die neue Trasse sogar den Niederneuendorfer Kanal zu verlegen.

Das Planfeststellungsverfahren sei die letzte Möglichkeit, den Bau der Trasse ohne Klage zu verhindern. Deshalb sollten möglichst viele ihre Einwände darlegen: Sechs Wochen haben sie nach Auslegung der Pläne Zeit. Wann die aber ausgelegt werden, das wusste auch BI-Chef Günter Chodzinski nicht. Vermutlich nächstes Jahr: „Vielleicht will man aber auch nur die Bürgermeisterwahl in Falkensee abwarten.“

Nicht alle Gäste stellten sich gegen die Umgehungsstraße. „Ich bin dafür“, sagte ein Besucher, denn „manchesmal brauche ich bis zu 25 Minuten, um bei dichtem Verkehr Falkensee zu verlassen“. Da sei die von den Planern prognostizierte Zeitersparnis von acht Minuten in Ost-West-Richtung auf der Umgehungsstraße schon eine Hilfe.

Protest wurde laut, als Chodzinski darstellte, wie die Straße scharf am östlichen Ende des Falkenhagener Sees vorbeigeführt werden soll. Der dortige Parkplatz für Badegäste werde verlegt, an der Einmündung von Haydn-, Bach- und Humboldtallee sei ein fünfarmiger Kreisverkehr vorgesehen. „Das Gebiet um den See ist das schönste Naherholungsgebiet in Falkensee, das wird zerstört“, sagte eine Zuhörerin. Ein anderer bilanzierte: „Es gibt wenige Menschen, die einen Vorteil von der Nordumfahrung haben, aber viele, denen sie Nachteile bringt.“ Da der Verkehr, der auf die Trasse geleitet werden soll, fast immer etwas mit Berlin zu tun habe, sei es doch sinnvoll, von Brandenburg aus die Verlängerung des Brunsbütteler Damms auszubauen, wurde vorgeschlagen. In Berlin sei er bis zur Landesgrenze fertig, er müsse nur noch von Brandenburger Seite aus angeschlossen werden, um eine leistungsfähige Strecke zur Heerstraße und in Fortsetzung zur B5 zu erhalten.

Nach der vier Wochen dauernden Auslegung der Planungsunterlagen haben die Betroffenen noch zwei Wochen Zeit, ihre Einwände schriftlich einzureichen. Betroffenheit bestehe bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen, bei Verminderung der Lebensqualität, bei Einschränkungen in der Berufsausübung oder wenn das Eigentum berührt werde.

6 Gedanken zu „Pro und contra Umgehungsstraße Bürgerinitiative fordert Betroffene auf, ihr Veto geltend zu machen“

  1. Als ich am 26.09.07 in der SVV an alle Abgeordneten die Frage zum nochmaligen Überdenken des Projekts „Nordumfahrung“ gestellt habe und dabei mich auf die Aussagen vom Montag bei der BISF-Versammlung verlassen habe, kam ich mir ganz schön doof vor. Angeblich stimmen die Horrorzahlen gar nicht. Es sei auch noch gar nichts Handfestes vorhanden, geschweige denn offiziell. Was soll ich denn von den beiden Veranstaltungen halten? (BISF wie auch SVV?) Wäre schön, wenn sich jemand vom BISF dazu äußern könnte. Danke.

  2. Lob an den Reporter der MAZ, der über den Abend objektiv und sachlich richtig schreibt. Die große Menge der kritischen und empörten Äußerungen zur Nordumfahrung wird hier nicht verschwiegen oder verfälscht dargestellt.
    Vielen Dank für die gute Berichterstattung!

  3. Liebe Frau Vender,

    Sie haben in der SVV-Bürgerfragestunde Ihre Frage zwar an die Abgeordneten gerichtet, antworten kann dort aber nur die Stadtverwaltung. Der Baudezernent Höhlig hat dies getan und Ihnen die oben zitierte Antwort gegeben, in der Art, wie er seit vielen Monaten öffentlich ahnungslos tut und gleichzeitig versucht, alle genauen Aussagen zur Nordumfahrung, die zum großen Teil schon vor ein einhalb Jahren im „geschlossenen Arbeitskreis“ getroffen wurden, als Gerüchte zu diffamieren.

    Sie können sich auf die Aussagen auf der BISF-Veranstaltung verlassen.

    Der BISF-Vorstand hat die vorliegenden Akten, die Grundlage für das angekündigte Planfeststellungsverfahren sein sollen, im Juli im Landesbetrieb für Straßenwesen in Potsdam unter Beisein der zuständigen Justitiarin offiziell eingesehen.

    Zu den Gesamtkosten, die Sie in Ihrer Frage ansprachen, sind dort knapp 18 Mio. EURO (genau 17.993 Mio.) beziffert. Dies ist auch in der BISF-Veranstaltung so dargestellt worden. Zusätzlich waren bereits bis Ende 2005 450.000 EURO Planungskosten entstanden, so die Antwort der brandenburgischen Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage im Oktober 2005.

    Nicht berechnet sind hierbei die Arbeitszeiten von Beamten und Angestellten in Land, Kreis und Kommunen, die sich seit nunmehr 15 Jahren mit der Planung beschäftigen.

    Dazu werden in den Unterlagen 35 Mio. EURO Mehrkosten genannt, die eine dichte Wanne unter der Straße kostet. Diese dichte Wanne ist im Jahr 2000 im Raumordnungsverfahren unter Abwägung der Schutzgüter als Maßgabe festgelegt worden. „Bei Nicht-Umsetzung dieser Maßgabe ist die Planung nicht an die Ziele der Raumordnung angepasst“, so heißt es dort. Die Nicht-Umsetzung entzieht daher den inzwischen – ohne die Wanne – weiter betriebenen Planungen ihre Grundlage.

    Rechnet man diese 35 Mio. Euro mit ein, so hätten die Planungen allein aus Kostengründen bereits vor Jahren gestoppt werden müssen, wie es der frühere brandenburgische Verkehrsminister Meyer 2003 auch zwischenzeitlich getan hatte. Sein Nachfolger hob den Stopp wieder auf.

    Mit diesem Widerspruch werden sich Anwälte und Gerichte zu beschäftigen haben, und die Verantwortlichen müssen dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

    Urteilen Sie selbst. Es ist alles nachzulesen. Wir stellen Ihnen die Unterlagen auch gerne zur Verfügung.

    Mit freundlichen Grüßen
    Günter Chodzinski

  4. Sehr geehrte Frau Vender,

    als Mitglied des Vorstandes der BISF habe ich mit Betroffenheit Ihren Kommentar gelesen. Ich kann Sie nur zu gut verstehen, wenn Sie schreiben, Sie fühlten sich „ganz schön doof“.
    Mir als Mitglied der „1. Stunde“ der BISF geht es seit ich von der Straßenplanung erfuhr ähnlich. Ein Beispiel:
    Vor der letzten Bürgermeisterwahl hatten wir als Bürgerinitiative die Bürgermeisterkandidaten zu einer Befragung eingeladen (an unterschiedlichen Tagen immer einen anderen). Als Herr Bigalke von uns damals auf die Nordumfahrung angesprochen wurde, sagte er klar und deutlich, er wäre als Betroffener auch gegen diese Planung. Ich glaubte ihm damals. Später verkündete er öffentlich, Falkensee brauche diese Straße. Von mir darauf angesprochen, riet er mir, den Text in der Zeitung auch zwischen den Zeilen zu lesen ! Ich kam mir auch ganz schön doof vor.
    Doch alles was Sie von uns am 26.9. im Kronprinz gehört und gesehen habe, entspricht dem, was wir in Potsdam beim Landesstraßenbauamt aus sieben Ordnern, deren Originale zu dieser Zeit schon beim Ministerium lagen, kopieren und fotografieren konnten.
    Ich denke, wenn Planungsunterlagen kurz vor der Eröffnung des Planfeststellungverfahrens beim Ministerium angelangt sind, kann es „handfester“ nicht mehr werden und die Horrorzahlen sind aus eben diesen Ordnern.
    Ich freue mich sehr, dass Sie mit so viel Engagement in unserer gemeinsamen Sache sind. Bitte lassen Sie sich nicht entmutigen und schon gar nicht für „doof verkaufen“.
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
    Ihre
    Astrid Spallek-Petrovic

  5. Liebe Frau Spallek-Petrovic, lieber Herr Chodzinski,
    ich danke Ihnen für die ausführlichen Anworten. Es zeigt mir, dass Sie sich die Zeit nehmen, dem „Normalbürger“ die politischen Vorgehensweisen zu erklären.
    Ich bin seit Ihrer Veranstaltung, dem Wahlforum am Dienstag und der SVV am letzten Mittwoch andauernd am überlegen, wie man vielen Falkenseern immer wieder die Brisanz der Nordumfahrung darstellen kann. Denn nur wenn man sich die Straßenschneise in richtigen Proportionen bildlich vorstellt, erkennt man wahrscheinlich die Dimension. Eine digitale Fotomontage in einer unserer kommunalen Zeitungen (z.B. Falkenseer Kurier) erreicht vielleicht wieder ein paar 100 Menschen mehr und kommen zur nächsten Informationsveranstaltung.
    Aber vielleicht bin ich auch zu unrealistisch und naiv, zu glauben, wir Falkenseer finden noch eine bessere Lösung.
    Auch Ihnen ein gutes Wochenende und für alle das beste Wahlergebnis
    Beatrix Vender

  6. Liebe Blog-Benutzer,

    Hier ein interessanter Artikel aus dem Falkenseer Kurier, schon etwas älter aber noch immer sehr aktuell.

    Nordumfahrung Falkensee
    Das graue Band der Nordumrasung (10-2004)

    Virtuelle Wette
    Auf der Wahlveranstaltung der MAZ in Falkensee vor der Landtagswahl hat Heiko Müller von der SPD erwartungsgemäß einmal wieder für die Nordumfahrung L20 und den Ausbau des Havelländer Wegs geworben. Das sei nicht nur gut, um den Durchgangsverkehr von der Rathauskreuzung zu nehmen, sondern auch z.B. Finkenkruger würden auf ihrem Weg nach Spandau sicher die Umfahrung wählen. Ich habe zwischengerufen, das sei viel zu weit. Darauf hat Müller mir ein Wettrennen vorgeschlagen. Abgemacht!
    Es muss vorerst ein virtuelles Rennen sein, denn die L 20 gibt es ja noch nicht. Ich habe es also auf meinem Taschenrechner gestartet.
    Startpunkt ist der Bahnhof Finkenkrug, Ziel ist der Kreisel am Spandauer Platz. Man kann quer durch die Stadt fahren, ich habe es gemacht, es sind 5,3 km, für die ich 8:00 Minuten gebraucht habe, entsprechend 39,75 km/ Durchschnittsgeschwindigkeit. Donnerstags um halbfünf. Dann bin ich vom Bahnhof Finkenkrug zum Havelländer Weg Ecke Regensburger Straße gefahren. 3,2 km in 4:30 Min. entsprechend 42,66 km/h. Dort hört die Straße und die Bebauung bisher auf und es beginnt die bekannte Sandpiste. Ab da soll neu gebaut werden.
    Der Weg, den Heiko Müller nun nehmen will, geht über den auszubauenden Havelländer Weg durch den Wald zur Landstraße nach Schönwalde, er biegt links ein und fährt ein Stück in Richtung Schönwalde, dann rechts auf die zu bauende L 20 im großen Bogen zum Spandauer Platz. Ich habe der Karte entnommen, dass das zusammen 4,5 km sein werden. Ich gehe einmal davon aus, dass Heiko Müller auf dem letzten Kilometer innerhalb des bebauten Orts (und in der Nähe der künftigen Landesgartenausstellung) etwa so schnell fahren kann, wie auf dem ersten Stück zum Havelländer Weg, d.h. für diesen Kilometer braucht er 1:30 Minuten. Er muss zweimal abbiegen, nämlich einmal links auf die Landstraße nach Schönwalde und dann rechts auf die vermutlich vorfahrtberechtigte L 20. Dafür rechne ich je 15 Sekunden – abbremsen, Vorfahrt achten und wieder beschleunigen. Das bedeutet, dass er für die 3,5 Kilometer 1:30 Minuten Zeit hat. Wir rechnen: 3,5 : 1,5 x 60 = 140. Heiko Müller muss auf der Nordumgehung eine Durchschnitts(!)geschwindigkeit von 140 km/h fahren, um unser kleines Rennen zu gewinnen. Das macht extreme Spitzengeschwindigkeiten erforderlich. Es ist nicht ganz leicht, das genau zu rechnen, weil die Beschleunigung und die Verzögerung beim Abbremsen ja nacht konstant sind. Aber ich bin sicher, dass Müller dafür erst ein neues, stärkeres Auto braucht, einen Rennsportwagen. Die Spitzengeschwindigkeiten, die notwendig wären, lägen jedenfalls weit jenseits von 200 km/h.
    Da fahre ich doch wie angekündigt Fahrrad. Ich nehme mir für die Strecke Bahnhof Finkenkrug zum Spandauer Platz 12 Minuten Zeit. Wenn Heiko Müller auch auf der Umgehungsstraße innerstädtische Geschwindigkeiten fährt, was er tun sollte, kommen wir gleichzeitig an. – Gut, dafür muss ich ein gutes Müsli frühstücken.
    Denken wir weiter. Heiko Müller will nach Spandau. Dazu biegt er nun am Kreisel links ab – und steht im Stau. Deswegen will er – das hat er so gesagt! – die Spandauer Straße bis zur Stadtgrenze vierspurig ausbauen. Anwohner, hört genau hin!
    Jetzt schlage ich noch ein Gedankenspiel vor. Ich stelle mir einen Spandauer aus der Wasserstadt oder einen Siemensstädter vor, der z.B. nach Bad Doberan zu seiner Tante fahren will. Oder einen 38-Tonnen-Sattelzug nach Hamburg.
    Welchen Weg wird er wählen? Ausgangspunkt wird diesmal der Falkenseer Platz in Spandau. Fährt er über den Altstädter Ring, die Kloster- und Wilhelmstraße zur Heerstraße, dann stadtauswärts die B5 zum Autobahndreieck Spandau, um auf den Berliner Ring Richtung Autobahndreieck Havelland und zur A 24 zu kommen, oder fährt er die Falkenseer Chaussee bis zum Spandauer Platz in Falkensee, dann rechts über die L 20 bis zur Autobahnauffahrt Falkensee und auf den Berliner Ring? Dies Rennen bitte ich Heiko Müller einmal auf seinem Taschenrechner zu fahren. Das Ergebnis wird die Theorie bestätigen, dass sich neue Straßen ihren Verkehr selber schaffen – Durchgangsverkehr in diesem Fall.
    Die Grünen in Falkensee werden nicht müde werden zu sagen, dass dies Projekt Unsinn ist. Oder wie soll man es nennen, um den Ort eine Rennbahn zu bauen, auf der man entlang rasen soll, während man mit dem Fahrrad in (fast) der gleichen Zeit quer durch die Stadt radeln könnte?
    Nun habe ich noch eine Idee, wie man Falkensee eine schöne Gartenstadt inmitten von Wäldern und Heide werden lassen kann, ohne Durchgangsverkehr und doch so, dass die Industrieansiedlungsflächen im Südosten der Stadt verkehrlich gut angebunden sind, an die B 5. Man sperrt die Brücke über den Havelkanal bei Alt-Brieselang für den Fahrzeugverkehr. Was dann bliebe, wäre tatsächlich innerstädtischer Verkehr und solcher nach Brieselang. Der Verkehr Richtung Westen und zur Autobahn liefe dann größtenteils über die B5.
    Ich will dies gar nicht ernstlich vorschlagen. Das müsste sicher noch genau bedacht werden, und vielleicht spricht auch viel dagegen. Aber ich finde, dass dieser Vorschlag ein Hinweis darauf ist, dass man auch mit ganz anderen Mitteln die gewünschten Ziele erreichen könnte. Es muss sich nur die Denke ändern.

    Gerd Gunkel

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