MAZ vom 06.08.2009
Rund 800 Hohen Neuendorfer nutzten am Dienstagabend die Gelegenheit, Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) ihre Meinung zu sagen. Klarer Tenor: Neue Fahrbahnen durch das Bergfelder Herthamoor und die Stolper Heide sind nicht erwünscht
Von Helge Treichel
HOHEN NEUENDORF Dieses Votum war eindeutig. Die deutliche Mehrheit der rund 800 Hohen Neuendorfer, die am Dienstagabend in der Stadthalle Infrastrukturminister Reinhold Dellmann zugehört und mit Fragen gelöchert haben, wollen keine zusätzlichen Straßen. Keine Ortsumgehung durchs Bergfelder Herthamoor und keinen neuen Autobahnzubringer durch die Stolper Heide nach Hohenschöpping.
Dieser orkanartige Gegenwind hat mittlerweile sogar den Minister überzeugt. Er sagte gegen Ende, dass er selber nicht mehr an eine Realisierung dieser Pläne glaubt. Gleichwohl knüpfte er seine Zusage, die beiden Projekte dem Landtag gar nicht erst per Gesetzentwurf vorzuschlagen, an formale Bedingungen. Die Stadtverordneten müssten zügig ihren Ablehnungsbeschluss präzisieren, denn im Hohen Neuendorfer Flächennutzungsplan sei eine Ortsumgehung schließlich noch festgeschrieben. Außerdem werde vom Ministerium eine Stellungnahme erwartet, ob tatsächlich eine „Nullvariante“ gewünscht ist. Und auch „die Region“ müsse sich zuerst positionieren. Nachbarorte seien da ebenso gemeint wie der Landkreis, sagte Dellmann. „Wir haben allen Grund, glücklich zu sein“, bilanzierte die Veranstaltung gestern Dirk Hartung, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) gegen die Straßenprojekte. Reinhold Dellmann habe in der Stadthalle „sein Wort gegeben, die Straße nicht zu bauen, wenn wir ihm die Gründe dazu liefern“. Gegen den Widerstand der Stadt und der Bürger sei da nichts zu machen. Die inzwischen mehr als 5200 Unterschriften gegen den Straßenneubau wertete der BI-Sprecher als „ein beeindruckendes Zeichen“. Mehr seien sie allerdings auch nicht: „Es erwächst keine Rechtskraft aus ihnen.“ Er rief seine Mitstreiter deshalb auf, ab dem 10. August, dem offiziellen Verfahrensbeginn, persönliche Stellungnahmen zu verfassen.
Am Abend selbst hatte Dirk Hartung die Datenbasis der Landespläne in Frage gestellt. Laut Minister würden täglich 13 000 bis 14 000 Fahrzeuge auf der Ortsdurchfahrt erwartet. Initiativenmitglieder hätten dagegen 4200 Fahrzeuge gezählt. Mit dem prognostizierten Zuwachs liege man bei 5000. Aber 13 000 Fahrzeuge – „das sind nicht mehr wir“, ergänzte die Bergfelder Schauspielerin Daniela Hoffmann. Der gegenwärtige Schwerlastverkehr habe einen Anteil von drei Prozent und bestehe aus Lieferungen für innerstädtische Handelseinrichtungen. Die bessere Straße würde dagegen mehr Verkehr und mehr Belästigungen nach sich ziehen.
Eine „neue politische Kultur“ konstatierte Stadtverordnetenvorsteher und Ex-Minister Alwin Ziel (SPD) angesichts der Bürgerproteste. Und er schloss sich diesen an: „Wir brauchen die Straße nicht. Die neue Trasse ist keine gute Idee, das können Sie Ihren Planern sagen“, wandte er sich an seinen Parteigenossen Dellmann. Ziel rief die Stadtverordneten auf, sich am 27. August einstimmig für die Nullvariante auszusprechen. Eine erste Positionierung dazu habe es gegeben. Es fehle noch das Kreistagsvotum. Aber auch Landrat Karl-Heinz Schröter habe ihm bereits klar gesagt, dass eine Trasse nicht durch das Herthamoor, die Havelauen und das Trinkwasserschutzgebiet führen könne.
Der Protest trägt erste Früchte – jetzt hat die Stadtverordnetenversammlung auf Druck der Bürgerinitiative gegen den Neubau der L171 – Hertha darf nicht sterben die alten Beschlüsse zu Straßenplanungen aufgehoben, die zur Aufnahme der neuen Trassen in den Landesstraßenbedarfsplan 2010 geführt haben, und sich für die so genannte Nullvariante entschieden.
Als nächstes steht jetzt das Kreistagsvotum aus.