Falkenseer Kurier vom 11.4.2009
Basiert die Bewerbung der Stadt auf einem Missverständnis?
Die Stadt Falkensee hat sich bei einem Wettbewerb zur Auszeichnung von familienfreundlichen Städten beworben. Es ist ein löbliches Ziel, für eine Stadt als familienfreundlich ausgezeichnet werden zu wollen.
Genug Familien wohnen hier ja auch. Aber was zeichnet eine familienfreundliche Stadt aus?
Dass die Stadt Schwierigkeiten hat, aufgrund des starken Zustroms ausreichende Angebote in den Bereichen Kinderbetreuung, Schulen und Freizeit zu ermöglichen, ist verständlich aber keine auszeichnungswürdige Qualität.
Eine Stadt, die sich als familienfreundlich bewirbt sollte Antworten und Beispiele haben, wie trotz (zu)knapper Mittel ein überdurchschnittliches Angebot möglich wird. In dieser Frage kann Falkensee trotz einzelner Lichtblicke von anderen Gemeinden leider eher lernen als Vorbild sein.
Die Stadtverwaltung ist noch viel zu stark im „Ressortdenken“ verhaftet, um neu effiziente Wege zu gehen.
Ein typisches Beispiel hierfür sind die Bolzplätze.
Zunächst konzentrierte sich die Stadtverwaltung auf den Bau und die Erweiterung von Schulen und Kitas. Bolzplätze gab es aus DDR-Zeiten und die mussten reichen obwohl sich die Zahl der Kinder im Laufe der Zeit vervielfacht hat. Es gab ja viel Wichtiges zu tun. Zusätzlich mussten einige Bolzplätze geschlossen werden, weil Anlieger erfolgreich gegen die Lärmbelästigung geklagt hatten oder das Grundstück verwertet wurde. Erst als trotz großer Pläne zum Sportstättenbau das Problem immer drängender wurde, begann die Verwaltung hektisch zu prüfen, wo überhaupt noch Bolzplätze möglich sind. Diese wenigen möglichen Flächen und die Finanzen der Stadt werden nur den kleinsten Teil des tatsächlichen Bedarfs in einigen Jahren abdecken können. Eine familienfreundliche Stadt geht mit so einem Problem anders um.
Was bleibt zu tun?
Das einzige was Falkensee in weit überdurchschnittlichem Umfang hat ist Straßenland. Aber da denkt unsere Verwaltung nur daran, wie es dem Verkehr, insbesondere dem Autoverkehr, dienen kann. Wenn die Stadt alle verfügbaren Mittel zielgerichtet einsetzt, kann das Problem der Straßenbefestigung in einigen Jahrzehnten gelöst sein (Hochrechnungen der Stadt gehen von noch etwa 50 Jahren aus). Wenn erst dann Kapazitäten frei werden, um sich darum zu kümmern wo Kinder gefahrlos spielen und toben können, werden viele der heutigen Kinder selber Kinder oder gar Enkel haben. Für eine so langfristige Problemlösung wird es sicherlich keine Auszeichnung geben.
Das Falkenseer Konzept zum Straßenausbau basiert darauf, möglichst (fast) alle Straßen gleich zu behandeln. Das ist gerecht und braucht nicht weiter erklärt werden. Auch an dieser Philosophie ist vor 20 Jahren die DDR Pleite gegangen. Wer alle gleich behandelt, wird keinem wirklich gerecht und verschwendet Geld und Ressourcen.
In Falkensee hat dieses „Einheitsdenken“ dazu geführt, dass Grundstücke nach dem Ausbau von Straßen an Wert verlieren und dass nach 20jähriger „Problemlösung“ sich immer mehr Falkenseer auf den Straßen unsicher fühlen und ihre Kinder lieber mit dem Auto zur Schule fahren, als sie den Gefährdungen des Falkenseer Straßennetzes beim Radfahren auszusetzen. Weil sich die Stadtverwaltung nicht die Frage stellt, was für jeden einzelnen Straßenzug die jeweils optimale Lösung ist, fällt ihr gar nicht auf, dass für das tatsächliche Verkehrsaufkommen höchstens ein Drittel des vorhandenen Straßenlandes erforderlich ist. Möglichkeiten der Verkehrsvermeidung und Verlagerung z. B. aufs Fahrrad werden nicht geprüft. Die Verwaltung merkt gar nicht, dass sie eigentlich über sehr viel Flächen verfügt, die zum Kinderspielen, Begegnen und anderen familienfreundlichen Aktivitäten entwickelt werden könnten.
Früher war es üblich auf den Straßen nicht nur Fußball zu spielen. In Falkensee ist dies nach dem Ausbau von Straßen meist nicht mehr möglich, oder zu gefährlich. Durch einen konzeptund fantasielosen Einheitsausbau erhöhen sich Verkehrsaufkommen und Geschwindigkeit in vielen ausgebauten Straßen so, dass sich nicht einmal Fußgänger mehr auf der Fahrbahn sicher fühlen. Seit dies nicht mehr zu leugnen ist, wird nicht geprüft, ob durch andere Planungen bessere Ergebnisse möglich sind. Es wird einfach häufiger zusätzlich ein Gehweg gebaut, damit Fußgänger und Kinder die freie Fahrt nicht unnötig stören. Eine Auszeichnung für Familienfreundlichkeit gewinnt man so nicht.
In Berlin werden Straßen, die ein Verkehrsaufkommen von Falkenseer Sammelstraßen haben, zu „Verkehrsberuhigten Bereichen“ (Spielstraßen) umgebaut und angenommen. Die Familienfreundlichkeit von Berlin konnte so erheblich verbessert werden. Glaubt man dem Falkenseer Tiefbauamt, gefährdet schon das Ausweisen einer Sackgasse als Spielstraße das Wohl der Stadt.
Ob dass nur daran liegt, dass der Amtsleiter früher im „Autobahnkombinat“ gearbeitet hat?
Herr Appenzeller verfügt als langjähriger Fraktionsvorsitzender der SPD über überdurchschnittliche Kenntnisse unserer Stadtverwaltung. Er schließt grundsätzliche Unwissenheit als Motiv für das Verwaltungshandeln aus. Aber was ist dann der Grund für jahrelange Fehlleistungen?
Die Zusammensetzung des Falkenseer Rathauses weicht erheblich von der seinen Einwohner ab. Sehr viele aus dem Rathaus und der Kreisverwaltung kennen sich von früher, aus ihrer Zeit beim VEB Plastewerk Staaken. Ein besonderer Betrieb. Er lag in unmittelbarer Nähe zur Grenze nach Westberlin und produzierte hauptsächlich Gehäuse für die Autobahnbeleuchtung. Seine Mitarbeiter erhielten „Hauptstadtzulage“, weil Staaken formal in Berlin lag. In der MAZ war zu lesen, dass nach der Wende von diesem Betrieb die Initiative zur Gründung der Falkenseer SPD ausging. Der Betrieb wurde kurz nach der Wende geschlossen und sehr viele ehemalige Mitarbeiter nutzten die neuen Arbeitsangebote in der sich verändernden Kommunalverwaltung.
Beim Anlieger-Straßenbau beauftragt diese so erneuerte Verwaltung fast immer die vier gleichen Planungsbüros, den gleichen Vermesser und den gleichen Bodengutachter. Kennt man sich von früher aus dem Plastewerk oder dem Autobahnkombinat? Durch die Vorgabe eines einheitliche Straßenquerschnitt- und -aufbaus entfallen wichtige Arbeitsschritte bei der Planung der Straßen. Wird das Honorar der planenden Büros entsprechend gekürzt?
In Falkensee werden sehr häufig Planungsbüros beauftragt, die in anderen Gemeinden wenig geschätzt werden. Dafür bekommen Büros, die häufig Wettbewerbe gewinnen oder für Ihre Qualität ausgezeichnet wurden, nur selten oder nie Aufträge. Sie bewerben sich zum Teil deshalb gar nicht mehr. Was erklärt diese qualitätsvermeidende Vergabepraxis?
Die Bauleistungen im Straßenbau werden fast immer von den gleichen zwei Firmen ausgeführt, eine davon wurde aus dem Autobahnkombinat gegründet. Was ermöglicht es diesen Firmen über viele Jahre immer das beste Angebot zu unterbreiten?
In Süditalien dominieren seit Jahrzehnten geschlossene Gruppen das wirtschaftliche und politische Geschehen Ihrer Region. Da nur diese geschlossenen Gruppen von diesem Vorgehen profitieren, sind diese Regionen verarmt und nur unterdurchschnittlich entwickelt. Die Mitglieder der begünstigten Gruppen bezeichnen sich gerne als „Familie“. Familienfreundlich in diesem Sinne sollte Falkensee nicht sein. Der ausgelobte Wettbewerb will „familienfreundlich“ sicherlich auch anders verstanden wissen.
Für ein im positiven Sinne familienfreundliches Falkensee ist es unerlässlich, dass es keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Vergabe von Aufträgen gibt und dass engagierte Bürger sicher sein können, dass ihre Bereitschaft an der Gestaltung der Stadt mitzuwirken nicht als störend sondern als bereichernd angenommen wird. Nur so wird es möglich sein, die Potenziale der Stadt optimale für familienfreundliche Lösungen zu nutzen.
Wenn die „neue Mehrheit“ in Kreis- und Stadt von Kennern als „Beutegemeinschaft“ bezeichnet wird, ist es höchste Zeit für mehr Transparenz zu sorgen.
Eine vertrauenswürdige Verwaltung verhindert von sich aus, dass es Zweifel an ihrer Neutralität und Sachorientierung gibt. Um die anderen sollten sich möglichst schnell die Prüfinstanzen kümmern, die die Befugnis zur uneingeschränkten Akteneinsicht haben.
Mag sein, dass einzelne Mandatsträger ihren politischen Einfluss dazu missbrauchen solche Klärungen bis nach den Wahlen hinaus zu zögern. Uns normalen Bürgern bleibt trotzdem die Möglichkeit zu prüfen, welche der Parteien sich für sachorientierte Lösungen einsetzen und vom Verdacht der Vetternwirtschaft frei sind. Dies bewusst zum Wahlkriterium zu machen, kann in einem „Superwahljahr“ besonders wirkungsvoll sein.
Thomas Lenkitsch