Straßenbau aus der Mottenkiste

Leserbrief zum MAZ-Artikel „SPD-Havelland befürwortet den Bau der Nordumfahrung“ vom 05.07

Es zeugt nicht von einem kultivierten politischen Umgang, wenn Politiker Bürger beschimpfen. Landrat Burkhard Schröder bezichtigt Menschen, die sich intensiv mit den Planungsunterlagen zur Falkenseer Nordumfahrung auseinandergesetzt haben, der „Notargumente“ und der „untersten Schwelle der Demagogie“. Das nur, weil kritische Bürger neben gravierenden Mängeln am Projekt auch eine mangelnde Verkehrssicherheit insbesondere für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer festgestellt haben. „Die SPD-Havelland steht ohne jeden Zweifel zur Nordumfahrung“, so Schröder. Zweifel wären aber angebracht.

Zwischen Spandauer Platz und Niederneuendorfer Weg soll als einziger Kreuzungspunkt der geplanten Trasse ein vier- bis fünfarmiger Kreisverkehr nördlich der Seespitze dienen. Entlang dieser 2,5 km langen, anbaufreien Ortsdurchschneidung soll es weder Bürgersteige, noch Ampeln, noch Querungshilfen (abgesehen von einer Mittelinsel) geben. Dies, obwohl auf dem Straßenneubau eine höhere Verkehrsbelastung liegen soll als heute auf der Nauener und Schönwalder Straße. Schulkinder aus Falkenhöh müssten diesen vielarmigen Kreisverkehr an der Fröbelstraße täglich queren. Sei es, um vom Musikerviertel zur Schollschule, sei es aus dem Philosophenviertel zur Erich-Kästner-Schule, zur Kantschule oder zum Gymnasium zu gelangen. Wer Kreisverkehre für Radfahrer und Fußgänger, gar für Kinder als sicher bezeichnet, dem empfehle ich im Berufsverkehr mit dem Fahrrad durch den dreiarmigen Kreisel am Spandauer Platz zu radeln. Kreisverkehre dienen der optimierten Abwicklung von Kraftfahrzeugen. Für alle anderen Verkehrsteilnehmer sind sie ein Sicherheitsrisiko.

Der Landkreis wolle sich „qualifiziert einbringen“, so Landrat Schröder. Dazu hatte der Kreis schon vor Jahren Gelegenheit, etwa im Projektbegleitenden Arbeitskreis. Diese Gelegenheit muss man als vertan ansehen. So hat der Kreis das mehrfach angemahnte Nachtfahrverbot für Lkw auf Hauptstraßen in Falkensee 2004 mit der Begründung abgelehnt, es gebe „keine Anspruchsberechtigung“. Also: zu wenig Verkehr. Ein Hohn für die Anwohner. Anstatt diesen mit konkreten Maßnahmen sofort zu helfen, setzen die SPD-Oberen aus Falkensee, Schönwalde und Rathenow seit Jahren auf einen Straßenneubau, der mehr Probleme schafft als löst.

Der verstaubte Leitspruch des ADAC „freie Fahrt für freie Bürger“ verschwand bereits vor 20 Jahren in der Mottenkiste. Der Eindruck drängt sich auf, die SPD im Havelland wolle diesen wieder herauskramen.

Wolfram Siewert, Falkensee

(Dieser Leserbrief wurde von  der MAZ gekürzt.  Um den Originaltext zu lesen, bitte auf Kommentar clicken.)

Ein Gedanke zu „Straßenbau aus der Mottenkiste“

  1. Interessant ist es zu sehen, was die MAZ aus einem Leserbrief streicht. Zum Vergleich füge ich die original Version von Herrn Siewert bei.

    J. Knarr

    SPD im Havelland – die Straßenbaupartei aus der Mottenkiste?

    Es zeugt nicht von einem kultivierten politischen Umgang, wenn Politiker Bürger beschimpfen. So bezichtigte Landrat Burkhard Schröder jüngst Menschen, die sich intensiv mit den Planungsunterlagen zur sog. Falkenseer Nordumfahrung auseinandergesetzt haben, der „Notargumente“ und der „untersten Schwelle der Demagogie“ (MAZ v. 05.07.08). Das nur, weil kritische Bürger neben gravierenden Mängeln am Projekt auch eine mangelnde Verkehrssicherheit insbesondere für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer festgestellt haben. „Die SPD-Havelland steht ohne jeden Zweifel zur Nordumfahrung“, so weiter der Vorsitzende Schröder. Ohne jeden Zweifel? Man muss sich fragen, ob da jemand in voller Kenntnis der Straßenplanung spricht. Zweifel sind angebracht.
    Zu den Fakten: Zwischen Spandauer Platz und Niederneuendorfer Weg soll als einziger Kreuzungspunkt der geplanten Trasse ein vier- bis fünfarmiger Kreisverkehr nördlich der Seespitze dienen. Entlang dieser 2,5 km langen, anbaufreien Ortsdurchschneidung soll es weder Bürgersteige, noch Ampeln, noch Querungshilfen (abgesehen von einer Mittelinsel) geben. Dies, obwohl auf dem Straßeneubau eine höhere Verkehrsbelastung liegen soll, als heute an Nauener und Schönwalder Straße anzutreffen sind. Schulkinder aus Falkenhöh müssten diesen vielarmigen Kreisverkehr an der Fröbelstraße täglich queren. Sei es, um vom ‚Musikerviertel‘ zur Schollschule, sei es aus dem ‚Philosophenviertel‘ zur Erich-Kästner-Schule, zur Kantschule oder zum Gymnasium zu gelangen. Gleiches gilt für die Wege in der Freizeit, gleiches gilt für langsame Menschen im Verkehr.
    Wer Kreisverkehre für Radfahrer und Fußgänger, gar für Kinder als sicher bezeichnet, dem empfehle ich probehalber im Berufsverkehr mit dem Fahrrad durch den (nur) dreiarmigen Kreisverkehr am Spandauer Platz zu radeln. Kreisverkehre dienen der optimierten Abwicklung von Kraftfahrzeugen. Für alle anderen Verkehrsteilnehmer sind sie ein Sicherheitsrisiko.
    Der Landkreis wolle sich „qualifiziert einbringen“, so Landrat Schröder. Dazu hatte der Kreis schon vor Jahren Gelegenheit, z.B. im sog. Projekt-Begleitenden Arbeitskreis. Diese Gelegenheit muss man als vertan ansehen. Jedenfalls werden nun wesentliche umweltbezogene Anforderungen über Bord geworfen. Diese sog. Maßgaben des Raumordnungsverfahrens aus dem Jahr 2000 sollten dem Projekt ein Mindestmaß an Umweltverträglichkeit geben. Erst diese Maßgaben ermöglichten die „bedingte Vereinbarkeit“ des Projekts mit den Landeszielen, so die Entscheidung im vorangegangenen Raumordnungsverfahren. Nun sei die Umsetzung wichtiger Maßgaben zu teuer, befindet die Abwägung des Landesbetriebs Straßenwesen, sie sollen entfallen. Damit verstößt das Landesamt aber nicht nur gegen die Ziele der Raumordnung, gegen einen Teil des eigenen Ministeriums und die Gemeinsame Landesplanung, sondern auch gegen die Interessen der Menschen und der Umwelt im Raum, die Gegenstand der Gesamtabwägung im Jahr 2000 waren.
    Nochmals zum qualifizierten Beitrag des Kreises: Dieser hatte das mehrfach angemahnte Nachtfahrverbot für Lkw auf Hauptstraßen in Falkensee bereits 2004 mit der Begründung abgelehnt, es gebe „keine Anspruchsberechtigung“. Auf gut Deutsch: zu wenig Verkehr! Ein Hohn für die dortigen Anwohner. Anstatt diesen mit konkreten Maßnahmen (wie Tempolimit, erschütterungs- und lärmarmer Straßenaufbau, Stauvermeidung) sofort und wirksam zu helfen, setzen die SPD-Oberen aus Falkensee, Schönwalde und Rathenow seit Jahren auf einen 10 km langen, rechtlich problematischen Straßenneubau, der weitaus mehr Probleme schafft als löst. Zudem würde diese Straße keine flächenhaft spürbare Abnahme des Verkehrs bewirken (Planunterlagen Stand Januar 2008). Wie sollte sie auch, bei einem hausgemachten Verkehrsanteil Falkensees von 92%.
    Selbst das Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung setzt nicht mehr auf Ortsumfahrten: “In Zukunft werden vermehrt Ortsdurchfahrten anstelle großer Ortsumfahrungen im Vordergrund stehen“ äußerte sich Verkehrsminister Dellmann in MIRAKTUELL 3/07 bereits vor mehr als einem Jahr.
    Der ehemalige, verstaubte Leitspruch des ADAC „freie Fahrt für freie Bürger“ verschwand bereits vor 20 Jahren in der Mottenkiste. Der Eindruck drängt sich auf, die SPD im Havelland wolle diesen wieder herauskramen.

    Wolfram Siewert, Falkensee

Kommentare sind geschlossen.