STADTENTWICKLUNG: „Wir wollen der Nordumfahrung den Rest geben“

MAZ vom 29.5.2008

Gegner des Straßenbauprojekts erhöhen den Druck auf die Landesbehörden und fordern, Pläne nicht in der Urlaubszeit auszulegen

FALKENSEE – Nach drei Stunden, die geprägt waren von optischen Eindrücken, Zahlen, Fakten, Meinungen und Emotionen, provozierte der Chef der Bürgerinitiative „Schönes Falkensee“ die rund 150 Zuhörer zum lautesten Beifall am Dienstagabend. „Wir wollen der Nord-umfahrung mit diesem Planfeststellungsverfahren den Rest geben“, sagte Günter Chodzinski, „sie soll gebaut werden im einzigen Grün-Freiraum, den es noch gibt in Falkensee. Das kann nicht wahr sein.“ Das saß. Er kleidete in Worte, was die Mehrheit im Saal des Kultur- und Seminarhauses des ASB hofft und hören wollte.

Bürgermeister Heiko Müller und Baudezernent Harald Höhlig argumentierten mittendrin als geduldete Außenseiter für das Straßenbauprojekt. Außer den beiden wagte lediglich ein Tiefbauingenieur einen positiven Satz: „Dieses Konzept zeigt gute Ansätze, es bringt Verkehrssicherheit.“ Allerdings fehle in Falkensee weiter ein „vernünftiges Verkehrskonzept“.

Dass zur Lösung der Verkehrsprobleme die Nordumfahrung überhaupt nichts beitrage, versuchten die Mitglieder der Bürgerinitiative mit viel Aufwand zu belegen. Die Strecke soll sich, wie berichtet, über rund neun Kilometer vom Kreisverkehr Spandauer Straße durch mehrere landschaftlich herausragende Gebiete zur Nauener Chaussee / Brieselang ziehen. Carsten Radtke, zweiter Vorsitzender, zeigte Luftaufnahmen, in die die BI Details aus den Planungsunterlagen des Landesbetriebs Straßenwesen montiert hat. Viele im Saal bekamen so erstmals eine bildhafte Vorstellung vom Ausmaß der Eingriffe, die der Bau mit sich brächte. Der Schrecken war manch einem Zuhörer anzusehen. An der Fröbelstraße / Bachallee zum Beispiel entsteht ein fünfarmiger Kreisverkehr, die Trasse zieht sich dann in einer Art S-Kurve direkt und ohne Lärmschutz am See vorbei. Wo Radwege verlaufen werden, ist noch ungewiss – viele ohnehin schon besorgte Eltern fürchten sich vor neuer Gefahr für ihre Kinder.

Die Ortsumfahrung würde das Landschaftsbild – hier an der Bachallee – teils erheblich verändern. Lärmschutzwände soll es zwar geben, deren Wirkung sei aber begenzt, sagen die Gegner. FOTOMONTAGE: BISF

Lärm, Dreck, Naturzerstörung, Wertminderung der Grundstücke in der Nähe – die Liste der Bedenken unter den Gegnern des Millionenprojekts ist lang. Marc Oliver Wille, in der BI zuständig für die Analyse der Verkehrsströme, verstärkte diese Vorbehalte. Der „Quell- und Zielverkehr“, der größte Anteil der Verkehrsbewegungen, werde die Nordumfahrung kaum nutzen. Auch der „Binnenverkehr“ sei auf der Trasse nur „wenig bis gar nicht“ zu erwarten. Die von der Landesbehörde prognostizierte Fahrzeitersparnis im Berufsverkehr sei nicht realistisch: Statt 14 Minuten weniger in Ost-West-Richtung habe die BISF einen Wert von nur 2,5 Minuten ermittelt; in Nord-Süd-Richtung seien es nur 1,75 statt neun Minuten. Willes Fazit: Die Nordumfahrung entlaste nicht die Mehrheit, sie ziehe zusätzlichen Verkehr an und spitze die Situation im „Nadelöhr“ Spandauer Straße weiter zu.

Heiko Müller und Harald Höhlig hatten einen schweren Stand. Der Verkehr werde weiter zunehmen, weil der Zuzug steige, sagte der Bürgermeister. Es gehe darum, „den Kollaps“ zu verhindern. Ans Publikum gewandt: „Sie müssen akzeptieren, dass viele Falkenseer und Brieselanger Auto fahren, wenn sie alle Rad fahren würden, würden wir nicht über die Nord-Umfahrung reden“. Eine Mutter setzte nach: „Ich will wissen, wie Sie sich positionieren, Herr Müller!“ Der bekannte Farbe: „Nach dem, was bisher bekannt ist, sage ich, wir brauchen diese Straße, damit Falkensee weiter funktioniert.“ Dann fügte er hinzu: „Ich schließe allerdings nicht aus, dass sich das mal ändert.“ (Von Stefan Kuschel)