Skandal um das Landesstraßenbedarfsplan-Gesetz

In den nächsten Wochen soll das Landesstraßenbedarfsplan-Gesetz im brandenburgischen Landtag verabschiedet werden, so sehen es die rot-roten Regierungsabsprachen vor. Mit dem Gesetz soll der Bedarf an Straßenneubauten im Land für die nächsten 15 Jahre beschlossen werden. Infrastruktur­minister Vogelsänger hatte im Frühjahr angekündigt, dass viele Neubauvorhaben aus Mangel an Finanzmitteln gestrichen wurden und dem Erhalt von Landesstraßen absoluter Vorrang gewährt werden soll.

Mit dem neuen Bedarfsplan entwickelt sich nun ein weiterer handfester Skandal. Vorgeschrieben ist im Gesetz, dass der gesamte bisherige Plan mit all seinen Maßnahmen überprüft werden soll, und zwar – wie das Ministerium selbst ausführt – nach aktuellen verkehrlichen und umweltschutzfachlichen Kriterien. Tatsächlich wurden jedoch einige Maßnahmen wie z.B. die heftig umstrittene Ortsumgehung Falkensee (L 20n) vom Ministerium einfach als „indisponibel“ (unveränderbar) deklariert und aus alten Planungen übernommen, ohne dass die gesetzlich vorgeschriebenen Prüfschritte durchgeführt wurden.

Ob die Straßenneubauten heute noch Sinn machen, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Die Ergebnisse der vorab durchgeführten Bürger- und Verbändebeteiligung werden den Abgeordneten ebenso wenig vorgelegt wie Prüfungsergebnisse anhand aktueller Verkehrszahlen und umweltrechtlicher Vorgaben.

Laut Beschlussvorlage soll nun „das verkehrliche Bedürfnis für den jeweiligen Straßenneubau kraft Gesetzes festgestellt und damit anerkannt“ werden – auch wenn der verkehrliche Nutzen fachlich nicht nachgewiesen und die Umweltauswirkungen nicht ernsthaft geprüft wurden. Was noch schwerer wiegt: Nur auf der Grundlage des Gesetzes soll eine „Planrechtfertigung gegeben“ sein, die auch später etwa von betroffenen Bürgern „im gerichtlichen Verfahren nicht in Frage gestellt werden“ kann. Dass (orts­unkundige) Landtagsabgeordnete allein per Gesetz darüber entscheiden können, für welche Straßenneubaumaßnahmen ein verkehrlicher Bedarf besteht und spätere Klagen dagegen nicht möglich sein sollen, ist nach unseren Recherchen einmalig in Deutschland.

Die Bürgerinitiative Schönes Falkensee (BISF) hält dieses Vorgehen für rechtswidrig. Das Ministerium für Infrastruktur und der Landesbetrieb Straßenwesen setzen sich über gesetzliche und rechtsstaatliche Verfahren hinweg. Der Grund dafür: Eine ernsthafte Überprüfung hätte wohl zu Tage gefördert, dass z.B. die „Ortsumgehung Falkensee“ aus verkehrlichen Gründen überflüssig und mit naturschutzrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar ist. Der BISF liegen Rechtsgutachten vor, die deutlich aussagen, dass diese Maßnahme nicht genehmigungsfähig ist.

Der Verkehr hat in Falkensee in den letzten Jahren nachweislich abgenommen. Der geringe Anteil des Durchgangsverkehrs von nur 8% (!) begründet keine millionenteure Ortsumfahrung. Im Süden Falkensees wurde mit dem vierspurigen Ausbau der B5 eine funktionierende Umfahrung zwischen der Hauptstadt Berlin und dem Autobahnring geschaffen. Außerdem durchschneidet die geplante Nordtrasse ein faktisches Vogelschutzgebiet und ein europäisch geschütztes, intaktes FFH-Gebiet. Der bislang ruhige Norden Falkensees würde völlig verlärmt. Große Teile der Bevölkerung, Naturschutzverbände, Nachbargemeinden und das angrenzende Berlin lehnen das Vorhaben ab. Andere sinnvolle Straßenbaumaßnahmen wurden hingegen aus dem Plan gestrichen mit dem Hinweis auf fehlende Finanzmittel.

Die „Nordumfahrung“ Falkensee wurde bereits 1995 sie in den damaligen Landesstraßenbedarfsplan aufgenommen. Was beweist besser als ein Zeitraum von mehr als 15 Jahren, in denen eine Maßnahme nicht gebaut, noch nicht einmal fertig geplant wurde, dass diese „disponibel“ und überflüssig ist? Gerade Planungen, die bereits seit 15 Jahren nicht verwirklicht wurden, gehören genauestens überprüft, meint die BISF. Sie fordert eine gesetzeskonforme Überprüfung aller „indisponiblen“ Vorhaben. Geschieht dies nicht, wird sie überprüfen lassen, inwieweit Klagemöglichkeiten gegen solch ein Vorgehen bestehen.