BISF beäugt Express-S-Bahn-Pläne kritisch

Brawo / Märkische Online Zeitung  vom 2. April 2016

Falkensee (MOZ) – Nachdem Peter Buchner, Geschäftsführer der S-Bahn Berlin GmbH, die Vorstellungen des Unternehmens zu einer möglichen S-Bahn-Verlängerung von Spandau nach Nauen dargelegt hat, gibt es zu den Plänen auch kritische Töne, etwa von der Bürgerinitiative Schönes Falkensee (BISF), die ihrerseits das Konzept analysiert hat. Unstrittig bleibt dagegen, dass ein drittes Gleis vonnöten ist wie parteiübergreifend von einer Vielzahl von Kommunalpolitikern betont wird.

Die BISF indes äußerte Bedenken gegenüber dem Konzept in zweierlei Hinsicht: So stiegen viele Fahrgäste der heutigen Regionalbahnen aus Richtung Nauen/Falkensee nach Erfahrung der Bürgerinitiative in Berlin Jungfernheide, Hauptbahnhof und Potsdamer Platz aus. Gerade diese drei Ziel-Bahnhöfe würden beim dargestellten Express-S-Bahn-Konzept nur mit teilweise deutlich verlängerten Fahrzeiten erreicht. „Dies erscheint für die Fahrgäste unattraktiv und lässt Zweifel an einer erhofften Nachfragesteigerung. Fahrzeitverbesserungen gibt es überwiegend nur zu untergeordneten Bahnhöfen entlang der Stadtbahnstrecke. Fahrten zum künftigen Hauptstadtflughafen in Berlin-Schönefeld fehlten in der Aufstellung der S-Bahn völlig – hier steht zu vermuten, dass sich auch die Fahrzeit dorthin verlängern würde“, meinte BISF-Sprecher Marc-Oliver Wille.

Und: Nicht richtig bedacht worden sei in dem Konzept die Fahrtenfolge auf dem Abschnitt Berlin-Spandau – Berlin-Westkreuz. Die Express-S-Bahn soll zwischen diesen Bahnhöfen ohne Halt durchfahren (5 Bahnhöfe Stresow bis Messe Süd), ebenso an den beiden neuen geplanten Bahnhöfen zwischen Albrechtshof und Spandau. Die reguläre S-Bahn hält weiterhin an allen Bahnhöfen; sie braucht dafür deutlich mehr Zeit. Andererseits soll in Berlin-Spandau alle zehn Minuten eine S-Bahn Richtung Westen starten (S5). „Das bedeutet: Wenn die Express-S-Bahn (im 20-Minuten-Takt) zehn Minuten nach den regulären S-Bahnen der S5 in Spandau losfährt, fährt sie nach ihrer Expressfahrt spätestens in Westkreuz beinahe auf den vorher fahrenden regulären Zug auf“, meinte er. „Es steht zu befürchten, dass die Express-S-Bahn so von der vorherigen langsameren Bahn ,ausgebremst‘ wird und ihre angekündigten Fahrzeitvorteile nicht voll realisieren kann. Ein Überholen funktioniert nicht.“ Zudem würden ab Westkreuz bis zur City Ost in einem knappen Abstand von etwa zwei Minuten zwei S-Bahnen hintereinander verkehren und dann eine 18-Minuten-Lücke generieren. Diese ungünstige Fahrtenverteilung dürfte nicht optimal sein und vermutlich auch nicht vom Berliner Senat als Besteller der S-Bahn-Leistungen befürwortet werden. „Die beiden Punkte lassen das zunächst sinnhaft erscheinende Konzept aus Sicht der BISF ins Wanken geraten. Das Konzept kann hierfür keine Lösungen anbieten. Die BISF wird diese Bedenken an die S-Bahn Berlin GmbH adressieren.“

Der Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes, Roger Lewandowski, hatte seinerzeit zuletzt ein klares Bekenntnis für die Regionalbahn abgegeben. „Es muss Schluss sein mit dem unverantwortlichen Gerede von einer möglichen S-Bahnanbindung bis nach Nauen.“ Alle verantwortlichen Politiker müssten sich eindeutig bekennen, um eine starke Verhandlungsposition für eine nachfrageorientierte Taktung beim Regionalbahnangebot zu erreichen. „Die Berufspendler brauchen eine schnelle und zuverlässige Verbindung nach Berlin. Eine S-Bahn bringt nur Zeitverluste und sorgt dafür, dass noch mehr Bahnfahrer wieder aufs Auto umsteigen und die Straßen noch weiter verstopfen. Wir müssen den öffentlichen Personennahverkehr attraktiver machen und stärken.“

Wolfgang Jähnichen, SPD-Vorsitzender in Falkensee, betonte dagegen, dass nach übereinstimmender Auffassung für eine Verbesserung des Schienen-Personennahverkehres auf der Hamburger Bahn westlich Spandaus mindestens ein zusätzliches 3. Gleis erforderlich sei. Da die beiden vorhandenen Gleise durch die geplante Verdichtung  allein schon des Fernverkehres nach Hamburg auf den Ein-Stunden-Takt auch ohne Berücksichtigung des Güterverkehres voll ausgelastet sind, wird sich folgerichtig der schon jetzt erheblich störanfällige Regionalverkehr noch weiter verschlechtern. „Wenn Berlin aus Regionalisierungs- und europäischen EFRE-Mitteln die S-Bahn westlich Spandaus baut, ist es nur folgerichtig, dass Brandenburg ebenso finanziert von der Stadtgrenze dieses Projekt abschnittsweise als Express-S-Bahn über Falkensee bis Nauen fortführt, da aus Berliner Sicht kein Interesse an einem 3. oder gar 4. Gleis für den Regionalverkehr auf diesem Streckenabschnitt besteht. Eine solche Express-S-Bahn fährt im 20-Minuten-Takt bei etwa gleicher Fahrzeit zuverlässiger als die derzeitige Regionalbahn. Diese Auffassung wird nicht nur von der SPD, sondern auch von anerkannten Verkehrsexperten vertreten.“

Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden in der Nauener Stadtverordnetenversammlung, Oliver Kratzsch, ist vor allem ein verlässlicher Takt das Entscheidende. „Die Experten sollten alles genauestens prüfen. Zum Zeitpunkt als wir in der SVV einen Beschluss zum dritten Gleis gefällt haben, gab es das Konzept schließlich noch nicht.“

Raimond Heydt von der Piratenpartei aus Nauen sagte: „Wir brauchen einen viergleisigen Ausbau der Bahntrasse bis nach Nauen, um den gestiegenen Bedarf zu decken und die zu erwartende weitere Steigerung der Nachfrage bedienen zu können. Welche Bahn am Ende fährt, S-Bahn oder Regionalbahn, ist vor dem Hintergrund fehlender Kapazitäten nachrangig. Jede Lösung hat ihre Vor- und Nachteile. Der Konkurrenzkampf zwischen Bahn und ODEG darf nicht dazu führen, dass die von vielen Bürgern geforderte verbesserte Regionalbahnanbindung in der jetzigen Diskussion unter den Tisch fällt.“